Es geht um Zukunft: Reinickendorfs Bäume und Grünflächen schützen

Einstimmig überwies die BVV Reinickendorf auf ihrer Sitzung am 18.6.25 einen Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beratung in den Haushaltsausschuss und in den Ausschuss für Ordnung, Umwelt, Grünflächen und Natur, der das Bezirksamt ersucht, die Zahl der Baumnachpflanzungen im öffentlichen Straßenraum und bezirklichen Grünflächen deutlich zu erhöhen und dafür ausreichend Mittel im Haushalt einzustellen.

Zum Hintergrund, aus einer Tabelle zum Bestand von Straßenbäumen in Berlin, veröffentlicht von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, geht hervor, dass 2024 in Reinickendorf 687 Bäume gefällt, aber nur 91 Bäume gepflanzt wurden. Damit sank der Bestand allein von Straßenbäumen im Bezirk Reinickendorf vom 1.1.24 von 43.982 auf 43.658 Bäume am 31.12.24. Reinickendorf weist für 2024 somit eine Negativbilanz hinsichtlich Fällungen und Neupflanzungen von 596 Straßenbäumen auf und hat damit binnen eines Jahres 1% seines Baumbestands verloren. Reinickendorf ist hier Schlusslicht von ganz Berlin.

Diese Problematik spiegelte sich im Fragenkatalog der Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wider (Drucksache 2579/XXI), die von der in Reinickendorf zuständigen CDU-Stadträtin Julia Schrodt-Thiel im Eiltempo in unter 30 Minuten beantwortet wurde. Deutlich wurde, dass die zunehmende Trockenheit eine erhebliche Herausforderung für die Grünflächen und den Baumbestand im Bezirk darstellt, was auch zum Verlust derselben führen könne. Es sei also wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Schäden zu reduzieren und die Widerstandsfähigkeit der Grünflächen und Bäume gegen Trockenheit zu erhöhen, einschließlich des Schutzes und der Pflege des Baumbestands. Nun möchte man sagen, Problem erkannt – doch warum dann die verheerende Bilanz? Felix Schönebeck, Sprecher der CDU zum Thema, zeigte sich überrascht – er habe zum ersten Mal vom Missverhältnis bei den Nachpflanzungen gehört und gab stellvertretend für seine Partei zu, man müsse besser werden.

Güneş Keskin, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte das dramatische Ungleichgewicht und mahnte, der Schutz von Umwelt und Natur ist die Voraussetzung für alles, was wir als Gesellschaft erhalten wollen: Gesundheit, Gerechtigkeit, Leben und Zukunft. Sie reflektierte die alarmierende Bilanz und gab zu bedenken: „Jeder einzelne der gefällten Bäume war mehr als ein bisschen Grün am Straßenrand. Jeder einzelne hat Schatten gespendet, Luft gekühlt, CO₂ gespeichert, Regenwasser aufgenommen und war gleichzeitig Heimat für Insekten und Vögel.“

Hier noch ein Wort zur Einwohnerfragestunde, in der gleich zwei Bürger*innen sich besorgt nach Baumfällungen erkundigten – einerseits am Schäfersee und andererseits in der Schildower Straße in Glienicke. Sie zeigten damit, dass die Sorge um das schwindende Stadtgrün im Bezirk längst auch in den Kiezen angekommen ist. Während Hans-Peter Ott von der CDU-Fraktion einräumte, die Fällung eines Baums während der Brutzeit sei unschön, stellte er hervor, es zähle der Schutz von Leib und Leben als ganz hohes Gut und die zuständige Mitarbeiterin im Bezirksamt würde ihre Entscheidungen fachlich qualifiziert treffen. Die Einwohnerfrage nach dem Gutachter, welcher die sofortige Fällung beider Bäume am Schäfersee während der Brutzeit am 29. April in der Schutzzeit angeordnet hatte, konnte die zuständige Stadträtin dann allerdings nicht beantworten.

Logischerweise bedürfen Neu- und Ersatzanpflanzungen personeller und finanzieller Ressourcen. Die CDU-Stadträtin trug vor, dass von 123 Stellen für die Pflege von Grünflächen und Bäumen im Bezirk nur 105 Stellen besetzt sind. Neben dem Personalmangel seien auch gravierende Kosten mit der Aufzucht nachgepflanzter Bäume verbunden, weil man beispielsweise Baum-Pflegeverträge mit Dienstleistern abschließen müsse und in Einzelfällen, wie zum Beispiel am Franz-Neumann-Platz, die Nachpflanzung nur eines Baumes mit bis zu 100.000 Euro berechnet werden musste.

Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Güneş Keskin, betonte: „Es fehlt einfach an Personal und das muss im Haushalt priorisiert werden. Wenn wir hier sparen, kommt das alles auf uns zurück in Form von Hitzestress, Trockenheit, toten Bäumen und dem Verlust unserer Artenvielfalt. (…) Wenn wir heute Fällen und morgen nicht Nachpflanzen, verlieren wir nicht nur Grün, sondern auch Zukunft.“