Gehweg Veitstraße

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Freie Bahn für Menschen mit und ohne Behinderung

Der Gehweg in der Veitstraße wird bisher als Parkplatz genutzt. Dadurch wird die tatsächlich als Gehweg benutzbare Fläche mehr als halbiert. Die Folge: Gehbeeinträchtigte Menschen mit Rollstuhl oder Rollator und Familien mit Kinderwägen können nur noch eingeschränkt den Gehweg nutzen, ein aneinander Vorbeikommen ist kaum möglich. Um dieses Problem zu beheben und den Gehweg für alle Menschen wieder uneingeschränkt nutzbar zu machen, hatte unsere grüne Reinickendorfer Stadträtin Korinna Stephan veranlasst, dass Autos künftig nicht mehr in der Veitstraße auf dem Gehweg parken dürfen. Die BZ titelt daraufhin: „Grünen-Stadträtin killt in Tegel rund hundert Parkplätze“ und wirft uns vor, den Anwohner*innen der Veitstraße etwas wegzunehmen. Wir reiben uns verwundert die Augen.   Denn den Menschen wird viel mehr etwas zurückgegeben:

Gehwege sind zum Laufen da, zum Spazieren, zum Begegnen und Unterhalten, zum sicheren Radfahren für Kinder. Sie sichern die Mobilität für Menschen, die nicht über ein Auto verfügen können oder dürfen und bieten sichere Wege für unsere Kleinsten. So steht es, wenn auch etwas juristischer formuliert, in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung.* Dort ist geregelt, dass Gehwegparken nur dort angeordnet werden darf, wo sich zwei zu Fuß Gehende auch mit Rollstühlen, Rollatoren oder Kinderwagen begegnen können. 

Korinna Stephan hat bereits an mehreren Stellen in Reinickendorf das geltende Recht umgesetzt. Zuletzt kündigte sie dies für die Veitstraße an. Nachdem Julia Schrod-Thiel (CDU) letzte Woche das Straßenressort übernommen hatte, knickt sie bei solcher Propaganda umgehend ein und teilte als eine ihrer ersten Amtshandlungen kurzum mit, dass sie die Planung für die Veitstraße ausgesetzt habe. Begründung? „Unerwartete Einschränkung der langjährigen Praxis“. Übersetzt: Diskriminierung ist rechtens, wenn sie nur lang genug stattgefunden hat? 

„Freie Gehwege erhöhen nicht nur Lebensqualität und vereinfachen soziale Teilhabe für bewegungseingeschränkte Menschen, sie sind auch schlicht rechtlich geboten. Dass Frau Schrod-Thiel trotzdem die Abordnung zurückdrehen will, wundert uns doch sehr“ sagt der Vorsitzende der Grünen in Reinickendorf Tim Dollnik.

Der letzte Reinickendorfer Mobilitätsrat in der Zuständigkeit unserer Stadträtin befasste sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Barrierefreiheit. Es kamen Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen zu Wort und schilderten ihre Sicht auf ihre Möglichkeiten zur Bewegung im öffentlichen Raum. Barrieren auf dem Gehweg wie Pfosten, Tretroller oder parkende Fahrzeuge werden für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zur täglichen Gefahr. Rollstuhlfahrende, Menschen mit Rollator und Kinderwagen oder Kinder auf dem Fahrrad müssen Hindernissen über die Straße ausweichen, wenn der Gehweg nicht passierbar ist. Das ist nicht hinnehmbar und auch nicht rechtens: Der Staat muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt und gleichberechtigt mit anderen mobil sein können. Dies ist in der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt und wurde von der Bundesrepublik Deutschland in deutsches Recht übernommen. Es wurde daraufhin in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung verankert.

Die Rechte von Menschen mit Behinderung sind nicht verhandelbar. Wir als Grüne setzen uns für diese Rechte ein, auch dort wo es unbequem ist oder schwierig. 

Natürlich ist es wichtig, dass den Anwohnenden weiterhin wohnortsnahe Parkmöglichkeiten zur Verfügung steht. Die Veitstraße bietet gleich um die Ecke ausreichend Parkraum für Autos, die Monatskarte im Parkhaus kostet laut Webseite 60 EUR (https://www.hallenamborsigturm.de/center/anfahrt-parken/parken), unsere Stadträtin hat sich versichert, dass dort ausreichend Platz vorhanden ist, um alle Autos der Veitstraße aufzunehmen. Der Fußweg zum Parkhaus beträgt etwa 200 bis 300 Meter und entspricht damit einem normalen Fußweg zur nächsten Bushaltestelle. Und natürlich wird es auch weiterhin möglich bleiben, an breiteren Stellen der Veitstraße Behindertenparkplätze zu erhalten.

Ein Verschieben der Parkplätze auf die Fahrbahn ist ebenfalls geprüft worden. Doch mit der Einstufung der Veitstraße als Route im Radvorrangnetz würden Radfahrende zu stark gefährden. Ein Ausspielen von Fuß- gegen Radverkehr kann nicht die Lösung sein und ist mit uns nicht zu machen.

Wir versperren uns nicht einer weiteren Prüfung, ob Stellplätze im öffentlichen Raum machbar sind. Allerdings sollte zunächst geltendes Recht umgesetzt werden, bevor neue Plätze entstehen. Menschen sollen nicht länger in ihren verbrieften Rechten beschnitten werden. Wir fordern den Abschluss des Verfahrens zur Abordnung des Gehwegparkens und erst dann eine anschließende Prüfung, wo im öffentlichen Raum Platz für neue Parkplätze vorhanden ist. So schaffen wir einen Straßenraum, in dem alle Anwohnende ihren Platz und Raum haben – ob Kinder, Familien, Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen.

Hier zum Nachlesen der Text der Verwaltungsvorschrift:

„2 II. Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt, die Gehwege und die darunter liegenden Leitungen durch die parkenden Fahrzeuge nicht beschädigt werden können und der Zugang zu Leitungen nicht beeinträchtigt werden kann sowie die Bordsteine ausreichend abgeschrägt und niedrig sind.“

Zusätzlich ist in der Straßenverkehrsordnung zum Zeichen 315 (Parken auf Gehwegen) geregelt:

„Wer ein Fahrzeug führt, darf auf Gehwegen mit Fahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 2,8 t nicht parken. Dann darf auch nicht entgegen der angeordneten Aufstellungsart des Zeichens oder entgegen Beschränkungen durch Zusatzzeichen geparkt werden.“